Monopol - Magazin für Kunst und Leben

essi utriainen



In dem Film "Populärmusik aus Vittula" führen die Freunde Matti und Niila Mitte der sechziger Jahre irgendwo im Niemandsland zwischen Schweden und Finnland ein recht dröges Halbwüchsigendasein. Bis eines Tages die Beatles-Single "Rock'n'Roll Music" ihr Leben verändert. Diese Musik klingt nach Freiheit. Und sie stiftet eine Identität, wie sie zu dieser Zeit in diesem Ort schlichtweg undenkbar ist. Die Künstlerin Essi Utriainen wurde 1975 ebenfalls in Finnland geboren, von 1998 bis 2005 studierte sie bei Ludwig Gosewitz und Norbert Prangenberg in München, wo sie noch heute lebt. Daß Musik Identität stiftet, verbindet Utriainens Kunst nicht nur oberflächlich mit dem Kinofilm. Denn auch ihr geht es weniger um die Musik selbst, als vielmehr um die damit verbundenen Konvergenzen, die sich in Posen, Accessoires oder Lebensstilen entlädt. In präzisen Videoarbeiten, Installationen und Zeichnungen deckt sie diese Konstellationen auf, isoliert Posen, substrahiert instrumente von ihren Musikern und spielt Luftgitarre zu Playback. Der Superstar, den Deutschland, Finnland und die ganze Welt mittlerweile sucht, ist bei Utriainen nicht zu entdecken: überall nur gesichtslose Doppelgänger. Pete Townsend muß hier ohne Gitarre auskommen, während die ausgelassene Meute der Pogo-Partei erst gar nicht zum Vorbild taugen darf. Eine ganze Serie von Zeichnungenmit dem Titel "Pogo" hat Utriainen dieser Partei gewidmet, deren Wahlspot 2005 für Aufregung gesorgt hatte und von ARD und ZDF nicht ausgestrahlt wurde. Zu Pogo wird revoltiert, zu Punk rebelliert, zu Reggae inhaliert - bis man am Ende nicht mehr weiß, ob diese Identitäten Medium sind oder Botschaft oder beides zugleich oder nichts von beiden.


Ralf Christofori